mardi 6 novembre 2007

Das Elsass, wie es einmal war

Im Elsaß schrieb man bekanntlich Deutsch, als man in Brandenburg noch Slawisch sprach. Die älteste deutsche Wochenzeitung kommt aus dem Elsaß (“Straßburger Relation” von 1609), die älteste deutsche Apotheke ist die Straßburger Hirschapotheke (1262/1268), das erste stehende deutsche Theater (1566) stand im Elsaß. Nicht zuletzt befand sich im Elsaß für sehr lange Zeit der höchste deutsche Kirchturm, der Münsterturm des Straßburger Münsters. So ist es auch gar kein Zufall, wenn die Elsässer für lange Zeit besonders stolz auf ihr Deutschtum waren, zumal das Straßburger Banner auch oft als deutsches Reichsbanner benutzt wurde. Wer weiß das heute noch in dem so korrekt von allem Volksstolz wegerzogenen Deutschland? Wehe dem, der die Geschichte noch kennt und sie nicht verschweigt! (Das gilt für die Deutschen in Deutschland wie im Elsaß gleichermaßen...)

Früher wußte man im Elsaß noch, daß Deutschland da ist, wo Deutsch gesprochen wird. In seinem “Dictionarium latino-germanicum” definierte der Straßburger Peter Dasypodius (bzw. Rauhfuß, gest. 1559) das Wort “Germania” wie folgt: “Das gantz Teutschland, so weit die Teutsche Spraach gehnt.”

Durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurde das Elsaß je länger, desto mehr an die französische Königskrone herangerissen. Es war zunächst keine schöne Zeit. Die Franzosen raubten und mordeten. Die Reichsstadt Hagenau wurde mehrmals abgeschliffen und abgebrannt. Die Einwohner der Reichsstadt Türckheim im Oberelsaß fielen gar einem generellen Gemetzel Turennes zu Opfer. Aber die Elsässer hielten lange noch treu zu ihrem Vaterland. Anstatt für den König in Versailles zu beten, hat so manch ein Priester und Pfarrer, wie jener zu Ensisheim, weiterhin für den deutschen Kaiser gebetet: “Domine salvum fac Leopoldem Imperatorem!” Das angeordnete Gebet für “Ludovicum Regem” wurde ignoriert. Bis zur Französischen Revolution war das Elsaß faktisch deutsch geblieben. Die Zollgrenze war oben in den Vogesen, nicht unten am Rhein. Der Handel mit dem Deutschen Reich kannte keinen Zoll. Das änderte sich erst mit der Französischen Revolution. Da fing man auch etwas systematischer an, die deutschen Ortsnamen zu französisieren. Da fing man überhaupt an, alles Deutsche zu bekämpfen. Man sollte die deutsche Tracht ablegen, man sollte die deutsche Sprache mit der französischen austauschen.

Indessen: Die Elsässer, vor allem die Landbevölkerung, blieben in der Regel ihrer Sprache und ihrer Identität treu. Sie stemmten sich gegen die Französisierung. Und wenn es sein mußte, erstürmten sie auch schon einmal ein Schulgebäude, um dort die französische Literatur aus dem Fenster zu werfen und sie den Flammen zu übergeben. Leider hatte die städtische Aristokratie in der Regel bedauerliches Wohlgefallen an der fremden französischen Sprache, die man (mit süddeutschem Akzent!) mühevoll über die schlecht eingeschulten Lippen brachte. Gewiß hatte man sich im Elsaß nach der Französischen Revolution an so manche Gallikanismen gewohnt. Und: sofern man sich den aufdränglichen Wünschen von Paris beugte, genoß man auch die republikanische Freiheit. Diese Freiheit hatte allerdings ihren Preis: die Selbstverleugnung.

Es stimmt indessen: Mit der dahingehenden Zeit sahen nicht wenige Elsässer in Frankreich ein neues Vaterland, das “Adoptivvaterland”, wie es ein bekannter Elsässer im 19. Jahrhundert formulierte. Das eigentliche Vaterland blieb aber Deutschland. Um nicht gegen das eigentliche Vaterland in den Krieg ziehen zu müssen, ist so manch ein Elsässer nach Nordamerika ausgewandert, wie man in Nordamerika nachlesen kann.


Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Preußischen Verwaltung fügten sich die Elsässer nach 1871 nach kurzer Zeit ohne größere Probleme in das 2. Deutsche Reich ein. 1890 war das Elsaß wirtschaftlich integriert, politisch auch. Die Wahlthemen sind ab 1893 hauptsächlich die klassischen Nationalthemen, wie anderswo in Deutschland auch, und dies gegen den vehementen Versuch der wenigen Frankophilen, von Deutschland trennende Themen zu den Wahlkampfthemen zu machen. Die Frankophilen erfuhren bei den Landtagswahlen von 1911 ein regelrechtes Fiasko. Sie waren nur noch bedeutungslose Außenseiter in der elsässischen Parteienlandschaft. 1914 war das Elsaß eine wahrhaft deutsche und deutschbewußte Provinz. Nicht wenige Elsässer meldeten sich damals freiwillig an die Westfront, um dort gegen Frankreich zu kämpfen. Einer dieser freiwilligen Elsässer war der große Widerstandskämpfer Julius Leber. (Später kämpfte er an der Ostfront). 1918 wurde das deutsche Elsaß ohne Volksbefragung an Frankreich geschlagen. In den Zwanziger und Dreißiger Jahren des vergangenen 20. Jahrhunderts wurde das Elsaß durch immense antifranzösische Unruhen heimgesucht: Die Elsässer stemmten sich gegen die gnadenlose Französisierung. Sie wählten gar politisch Gefangene zu ihren Abgeordneten in Paris, wo letztere unter dem Tumult des Plenums in der verhaßten deutschen Muttersprache redeten. Nach 1945 ist den Elsässern dieser gesunde Mut vollends verloren gegangen. Die Franzosen benutzten die Gunst der historischen Stunde, um alles Deutsche zu verteufeln. Die Elsässer wurden in der französischen Schulen vollkommen umgeschult und entpersonalisiert. Man raubte den elsässischen Kindern ihre Identität und entriß sie ihrer angestammten Kultur. Ab den Siebziger Jahren erfuhr die deutsche Sprache im Elsaß einen gewaltigen Einbruch. Heute spricht nur noch eine Minderheit deutsch. Man ist im Elsaß heute stolz darauf, nicht mehr die Sprache der eigenen Väter verstehen zu können. Die über tausendjährige elsässisch-deutsche Kultur ist für die heutigen Elsässer ein siebenfach versiegeltes Buch. Der "Alsacien" ist eben kein Elsässer mehr.

Frankreich hat dem Elsaß die historische Identität geraubt. Frage: Könnte Europa dem Elsaß diese Identität zurückbringen? Und wenn ja: wie?

1 commentaire:

Anonyme a dit…

Eine gute Nachricht, eine schlechte. Die schlechte, comme d'habitude, z'erscht:

Auf die Frage "wie könnte Europa dem Elsaß diese Identität zurückbringen", sage ich: weiss ich nicht.

Auf die zweite Frage, "KÖNNTE Europa es", sage ich: 100 prozent ja.

hopla, salü